Was bleibt?

Was bleibt?

Na ja,

was bleibt nach einem Leben?

Was habe ich erreicht?

Was habe ich versäumt?

Wo bin ich mehr oder weniger krachend gescheitert?

Im Folgenden will versuchen, über meine (Miss-)Erfolge zu berichten.

 

Wie fängt man an, über sich selbst zu schreiben?

Soll ich sagen, wie toll oder wie schrecklich ich bin; soll ich andere zu Wort kommen lassen? Ist die ICH-Form eigentlich der richtige Weg oder sollte ich eher über „ihn“ schreiben. Ich bin mir nicht sicher, werde aber zunächst die ICH-Form verwenden, vielleicht ändere ich es ja noch das eine oder andere Mal.

ICH

Da war ich nun auf der Welt angekommen und wusste nichts davon. Zeitlich zuordenbare Erinnerungen an meine aller-früheste Kindheit habe ich nicht. Im besten Fall ist es das Aufblitzen von Erinnerungsfetzen, die mit Hilfe anderer dann mit einem Ereignis verbunden werden können. So ein wenig klarer wird das Bild erst mit rund 5 Jahren.

Ich lag in meinem Bett am Abend des 7. März 1954 und wusste „ich bin heute fünf“ und war mächtig stolz darauf, schon sooo alt zu sein. Das war ein so gutes Gefühl, dass ich es bis heute im Gedächtnis habe. Gleiches gilt für das morgendliche Aufwachen: Am Anfang war das Licht so hell, dass ich schnell die Augen wieder schließen musste und sie erst langsam und vorsichtig wieder öffnete. Mein Kinderzimmer ging nach Nordosten, so dass die Sonne morgens in mein Fenster schien.

Viele Nachbarskinder waren in etwa in meinem Alter, so konnten wir im Hof in der Sandkiste oder vorne auf der Straße (wenig Verkehr!) mit vielen spielen. Nicht immer hatte ich Lust dazu, in der Schulzeit war für mich Lesen wichtiger als spielen. Aber wenn das Geschrei und die Rufe „BÄÄÄRND“ zu doll wurden, schickte meine Mutter – die immer zuhause war – mich runter. Allerdings musste ich noch meine Schuhe zubinden. Ich setzte mich also auf die kleine Sitzbank und versuchte mein Glück. Spätestens als ich zur Schule kam, musste ich es können. Lehrer halfen damals nicht beim Umziehen bei der Sportstunde! Und Klettverschlüsse gab es auch noch nicht. Also durfte ich erst runter, wenn ich meine Schuhe mit Doppelschleife (!) gebunden hatte. Puh, das gab manchmal die eine oder andere Träne. Aber ich wollte und konnte es dann doch irgendwann blind.

Schuhe

Schuhe war auch so’ne Sache. Ich hatte wunderschöne Senk-Spreiz-Knick-Füße mit sehr labilen Bändern.  Klar, geerbt von Vati (und veerbt an meine jüngste Tochter!). In seinem hohe Alter (ich 5 und er 31) konnte man damals nichts mehr ändern. „Aber bei dem Jungen geht das noch!“, meinte sein Orthopäde. Also gingen(! nach Wandsbek) wir (meistens mit Mutti) einmal im Jahr zum Orthopäden, bei dem meine Füße untersucht und anschließend eingegipst wurden. Sicher kennt der eine oder andere die Gipsbinden aus dem Zeltlager. Genau solche wurden verwendet. Nach dem Trocknen wurde der Gips aufgeschnitten und ein Gipsmodell meines Fußes erstellt. Auf dieser Basis gab es dann Einlagen mit einem Metallkern drin. So, jetzt nur noch ein paar passende Schuhe finden. Das war nicht leicht in den Fünfziger Jahren! Für mich blieben nur geschnürte Stiefel übrig. Ein sicher teures Vergnügen für meine Eltern, aber der Junge sollte es besser haben als Vati. Seinerzeit wurden in den Schuhgeschäften die Füße mit den Schuhe noch „durchleuchtet“, also mit Röntgenstrahlen vermessen, ob sie passten. Glücklicherweise ist man heute davon abgekommen. Irgendwie waren diese Stiefel auch nicht gerade der modische letzte Schrei und machten mich später schnell zu Außenseiter. Brav wie ich war, habe ich die Einlagen vom 5. – 16. Lebensjahr getragen. Erst mit der Berufsausbildung habe ich mich von meinen Einlagen emanzipiert. Aber geschnürte Schuhe trage ich heute zumeist noch lieber als Slipper, da mir der Halt des Fußes im Schuh immer noch wichtig ist.
Heutzutage werden Kinder idR nicht mehr ausschließlich mit Einlagen traktiert, sondern es werden bewegungstherapeutische Maßnahmen vermittelt, um den gesamten Stützapparat des Fußes zu kräftigen und zu stabilisieren.

HNO

Tja und dann war noch meine Erfahrung mit einem HNO-Arzt. Meine häufigen Erkältungskrankheiten führten bei unserem Hausarzt dazu, dass wir zu einem Spezialisten überwiesen wurden. Ich war etwa 5 Jahre alt. Er stellt bei mir Rachenwucherungen fest, die zu entfernen seien. Heutzutage wird im Regelfall eine Beobachtungsphase vor die Operation (in Vollnarkose) gelegt, so dass nicht in jedem Fall die OP nötig wird.

Bei mir war man noch nicht so weit. Also Mund aufgesperrt, mit einem Instrument die Polypen erfasst und herausgeschnitten. Fertig! Ohne Betäubung! Ich muss wohl geschrieen haben vor Schmerzen. Auf jeden Fall hatte ich vor den Nachuntersuchungen eine riesige Angst und wollte da nicht mehr hingehen. Meiner Mutter gelang es aber jedesmal, mich zu überzeugen.

In späteren Jahren – ich war bereits erwachsen – erfuhr ich, dass die OP nur gemacht wird, wenn die Wucherung die Eustachsche Röhre verstopft, ich an Mittelohrentzündung leide oder meine Sprachentwicklung (Hören) gestört ist. Die Vergrößerung der Rachenmandel ist durch die im Kindesalter häufig auftretenden Erkältungen ziemlich normal und muss nicht immer zur OP führen.

Turnen

Bereits im Jahr vor dem Schulbeginn schickte meine Mutter mich zum Turnunterricht. Wahrscheinlich wollte sie meine – bis heute nicht vorhandene – Sportlichkeit verbessern. In einer großen Turnhalle waren bestimmt 50-70 Kinder, die alle irgendwas machten. Ich musste Turnschuhe (Schleife!). Turnhose und -hemd anziehen und durfte an den schrägen Leitern klettern und an den Stangen und Seilen. Bestimmt haben wir noch mehr gemacht, insbesondere uns in Riegen angestellt, aber davon weiß ich nichts mehr. Der Turnunterricht fand in der Turnhalle der Senator-Krause-Schule statt. In diese Schule wurde ich später auch eingeschult. Ein wenig habe ich hier darüber berichtet.

In der Volksschule

Sehr in Erinnerung geblieben ist mir ein Schultag, bei dem aufgrund von vielen kranken Lehrern unsere Eltern Unterricht machen mussten. Bei uns in der Klasse war es ausgerechnet meine Mutter. Das hatte mir gar nicht gefallen. Mutti war doch Mutti und keine Lehrerin. Als sie mich irgendwas fragte, brach ich in Tränen aus und gab keine Antwort. Da hatte sie mich so richtig vorgeführt (glaubte ich zumindest) und ich war tierisch wütend, was ich aber eigentlich nie zeigte, sondern in mir begrub. Ich war froh, als am nächsten Tag wieder „richtige“ Lehrer uns unterrichteten. Das Experiment mit Elternbeteiligung war für mich krachend gescheitert. Wahrscheinlich hätte ich eine andere Mutter viel eher akzeptiert, aber meine liebe Mutti als Lehrerin?

Ich habe heute noch den Geruch des Schulgebäudes in der Nase, die vielen Treppen, die ballernde Dampfheizung mit den dicken Rohren und den Turnsaal unterm Dach in Erinnerung. Natürlich auch die Turnhalle und den Schulhof, auf dem wir Fußball auf ein Tor spielten. „3 Ecken, ein Elfer“, war die Devise beim 5 gegen 5. Keine Ahnung, wann Angriff und Verteidigung wechselte, nächste Pause? Oder im Spiel? Auf jeden Fall war Pause toll.

Manchmal standen wir auch nur einfach am Zaun und betrachteten die vorbeifahrenden Autos und Straßenbahnen in der Straßburger Straße. Unmittelbar an der Schule wurde ein Fußgängerüberweg mit einer Druckknopfampel gebaut. Das war was! Wir konnten die Autofahrer anhalten, wenn wir es wollten. Aber wir hatten nie gedrückt und sind dann weggelaufen, sondern haben die Straße auf dem Fußgängerüberweg überquert. Und wieder zurück und das mehrfach, bis wir keine Lust mehr hatten.

Die Fußwege bei uns in der Gegend waren zumeist mit Gehwegplatten ausgestattet. Wir haben dann auf dem Weg von der Schule nach Hause dann immer versucht, nicht auf die „Striche“ (Fugen) zu treten. Und wenn es dann doch passierte, habe ich die Luft angehalten. Am Anfang zu bis 10, später auch längere Zeit. Wahrscheinlich habe ich dadurch ein wenig die Fähigkeit bekommen, Luft über längere Zeit anhalten zu können.

Auf den Platten konnte man auch hervorragend malen. Straßenmalkreide kannten wir damals nicht. Es wurden die kleinsten, für den Unterricht nicht mehr verwendbaren, Kreidereste aus der Schule genommen oder einfach mit einem Stein (Ziegel geht deutlich besser als Kiesel!) auf den Platten gemalt. Kunstwerke waren es nicht gerade, sondern so was wie Haus, Baum, Hexenhaus.

In der ersten Klasse fand ich schnell meine Profession als „Vortragskünstler“ von Gedichten oder kleinen Geschichten. Zur Einschulung der neuen ersten Klasse sollten wir etwas vortragen. Beim Einüben stand ich vor einem Stuhl. Am Ende meiner Geschichte/Gedicht(?) machte ich einen tiefen Diener (etwas Selbstverständliches in der damaligen Zeit, Mädchen machten einen Knicks). Dummerweise war mein Diener so tief, dass meine Stirn innigen Kontakt mit der Stuhllehne hatte und mir anschließend das Blut über das Gesicht lief. Die Narbe verläuft heute noch mitten in der Augenbraue. Aber ich habe mich in späterer Zeit nicht abhalten lassen, weiterzumachen. So was wie Lampenfieber kannte ich damals nicht, heutzutage schon eher. Wahrscheinlich ist diese Angst dann doch eher etwas Angelerntes.

Wo ich gerade beim Gedichtevortragen bin: Mein Vater arbeitete damals als Kellner im „Haus Vaterland“ in Hamburg; einem Variete, das an der Stelle stand, wo sich heute die Europapassage befindet. Wir durften es mehrmals besuchen. Fasziniert war ich davon, das bei den Zwischenansagen ein Mikrofon aus dem Boden hervorkam. Die Showteile waren auch ganz nett, auch wenn ich nicht alles verstanden hatte. Bei einer Mitarbeiter-Weihnachtsfeier durfte ich selbst ans Mikrofon und konnte ein Gedicht vortragen. In der Technik wurde davon eine 78er-Schallplatte mitgeschnitten, die heute noch existiert, allerdings in erbärmlichem Zustand.

Schreiben lernen

Mein auch heute noch legendäre „Sauklaue“ hat sicher mehrere Ursachen. Meine Feinmotorik war nicht sehr ausgeprägt. Schwungübungen, Malen oder ähnliches wurde im Kindergarten nicht sehr großgeschrieben. Und wenn, hätte ich mich davor bestimmt auch gedrückt. Fest zupacken, ja, aber irgend so einen Fitzelkram basteln. Nö, das war nichts für Bernie. ich bewunderte das bei Anderen, ohne jetzt selbst den Drang zu bekommen, gleiches zu können. Zum anderen lernten wir in der Schule sehr früh (1.Klasse) das Schreiben mit einer Feder. Tintenfass auf, Feder eintauchen und schreiben. Einfach, oder? Na ja, bei mir hieß das: zuviel Tinte=Kleckern, gegen die Feder geschrieben=Klecks und Loch im Papier, bei längerem Schreiben völlige Verkrampfung der Hand. Bei um die 40 Schüler in der Klasse konnte die Lehrkraft, unser sehr freundliches, älteres Frl. Borchert, sich nicht um die Handhaltung und den korrekten Gebrauch der Feder kümmern, sondern dieses nur vormachen. Bei mir mit sehr geringem Erfolg. Erst später gab es einen Füller (ohne Patronen!), mit dem ich etwas besser zurecht kam.

Lesen lernen

In Hamburg war im Jahr 1955 die Methode der Worterlernung und nicht der Buchstabenerlernung in Mode. (Gibt bestimmt auch Fachausdrücke dafür. Heutzutage ist so eine Kombination mit Fu und Fa aktuell) Ich bin bis heute davon überzeugt, dass dieses die richtigere Methode ist, Schülern schnell und korrekt das Lesenlernen zu vermitteln. Bei mir – und bei vielen anderen – hat es auf jede Fall dazu geführt, dass die in der Nähe liegende Bücherhalle irgendwann keine altersgemäßen Bücher mehr für mich hatte.

Am Anfang hatte wir eine Fibel, deren Anfangsseiten ich heute noch kenne: „Tut, tut, tut, ein Auto!“ und „Da kommt ein Auto, tut!“ und „Hans und Grete fahren Auto.“

Die ganzheitliche Lernform vermittelte mir sehr schnell den Überblick über das Wort und führte nicht dazu, dass ich erst mühsam aus den Buchstaben Silben und schließlich Wörter bilden musste. Negative Auswirkungen auf die Rechtschreibung konnte ich auch nicht bemerken, wenn da nicht das mühsame Schreibenlernen gewesen wäre, aber das hatten wir ja schon.

Fazit

Wenn mir was aus der Volksschulzeit in Erinnerung geblieben ist, dann ist es der idR freundliche Umgang der Kinder miteinander – natürlich gab es auch Auseinandersetzungen körperlicher Art, aber wenn einer auf dem Boden lag, hatte der „Sieger“ von ihm gelassen und nicht mehr auf ihn eingeschlagen, getreten oder ähnliches. Es war klar, wer gewonnen hatte und man konnte wieder normal miteinander umgehen. Mobbing oder Ausgrenzung fand auch noch nicht statt. Offensichtlich wirkte das Vorbildverhalten der Eltern und der Lehrer auch bis in den persönlichen Bereich. Natürlich fanden wir nicht alle Klassenkameraden oder Spielkinder gleich nett und nicht alles waren unsere Freunde, aber wir respektierten die andere Person so, wie sie war.

Prüfung

Am Ende der vierten Klasse verließen uns zwei Mädchen, da diese die Aufnahmeprüfung zum Gymnasium bestanden hatten. Meine Eltern glaubten, dass wir uns das nicht leisten konnten (Gymnasium=teuer) und schlugen mir vor, nicht auf die „Wissenschaftliche Oberschule“ (Gymnasium) sondern auf die „Technische Oberschule“ (Mittelschule=heute: Realschule) zu gehen. Dort würde mehr praxisorientierter Unterricht gegeben werden. Da ich sowieso der jüngste Schüler in der Klasse war (9 Jahre am Ende der vierten Klasse) und zumeist verspielt war, ist es im Nachhinein wohl die richtige Entscheidung gewesen. In späteren Jahren es eines meiner Kinder bewiesen hat, dass man auch mit einer zwischenzeitlich negativen Schulkarriere es sehr erfolgreich bis zum Abitur schaffen kann.

Es ist nun mal, wie es ist. Im Januar 1961 gab es die Aufnahmeprüfung für die Mittelschule. Diese fand im Gebäude der Schule am Alten Teichweg statt und zogen sich über eine Woche hin. Wir machten physikalische Experimente „was passiert in einem Erlenmeyerkolben, wenn Wasser mittels einer Gasflamme zum Kochen gebracht wird“, schrieben Aufsätze “ Es ist noch einmal gutgegangen“ oder „Es ist schiefgegangen“, mussten Texte in Latein(!) lesen lernen („Fenestra“ kenne ich heute noch) und durften diverse mathematische Tests machen (mein Lieblingsfach bis heute). Ziel war es offensichtlich nicht vorrangig, bestehendes Wissen abzufragen, sondern die Fähigkeit zu erkunden, inwieweit sich der Schüler auf neue, völlig unbekannte Themen einstellen konnte. Auf jeden Fall habe ich bestanden und so begann für mich am 1. 4. 1961 die Realität der Mittelschule.

Mittelschule

Unterrichtsbeginn war um 8 Uhr, die erste Stunde dauerte bis 8:55 Uhr, wegen der organisatorischen Dinge des Klassenlehrers: Anwesenheit, Geld einsammeln oder so. Wir hatten nicht nur am Sonnabend Unterricht, zumeist 3-4 Stunden, sondern auch eine Frühstunde, bei der der Unterricht um 7:10 Uhr begann. Na ja, kein Thema. Wir wohnten alle fußläufig entfernt und mussten „nur“ von unseren Eltern rechtzeitig losgeschickt werden. Es war für mich etwa ein Viertelstunde zu Fuß, manchmal auch länger, je nach Trödeln. Allerdings nur, bis wir 1962 nach Poppenbüttel umzogen. Dann „durfte“ ich eine knappe Stunde mit dem Bus fahren.

Obwohl wir in der Volksschule – insbesondere durch Herrn Bär – Disziplin vermittelt bekommen haben, war es hier noch etwas strenger. Für uns selbstverständlich standen wir beim Betreten des Klassenraums durch den Lehrer auf und begrüßten ihn. Meist waren wir durch „Er kommt“ auch schon vorgewarnt, so dass – zumindest bei seinem Betreten – wir alle auf unseren Plätzen waren. Unser Klassenlehrer, Herr Wuttke, war in den Fünfzigern, der Bio-Lehrer der Schule und kam aus Ostpreußen, was auch durch den Aufsatz „Auch jenseits von Oder und Neiße ist noch Deutschland“ deutlich wurde. Über seine Ausbildung wussten wir nichts – es hat uns damals auch nicht interessiert. Aber bei einem Geburtsjahrgang um 1910-15 kann man heute davon ausgehen, dass er seine Lehrerausbildung im Nationalsozialismus abgeschlossen hat. Im Geschichtsunterricht kamen wir auch so gerade eben bis zum Ende der Weimarer Republik.

Neben den üblichen Fächern hatten wir auch Sportunterricht und das hieß im Winterhalbjahr: Schwimmen. Viele von uns 12-13 jährigen konnten noch nicht schwimmen, sie hatten zumindest noch keinen Freischwimmer. Also ab zum Neumann-Reichardt-Bad nach Wandsbek. Eine Badeanstalt, die heute nicht mehr existiert. Sie war um 1910 durch die Neumann-Schokoladenwerke für ihre Arbeiter errichtet worden und war in den Sechziger Jahren öffentliche Badeanstalt. Der Weg dorthin dauerte von der Schule ca. eine halbe Stunde (zu Fuß!). Hier machte ich dann endlich im Alter von 12 meinen Freischwimmer. Wasser und ich sind bis heute noch keine Freunde.

Auf unserer rechten Seite des Schulgebäudes waren die Jungs und „da drüben“ die Mädchen. Kontakt war verboten und wurde auch aktiv verhindert. Unser Flur war mit großen verschlossenen Glastüren versehen, so dass wir nur rüberschielen konnten. Aber mehr auch nicht. Geschlechtergemischte Klassen waren damals in Hamburg in den weiterführenden Schulen sehr unüblich. Meine Erfahrung in viel späteren Jahren – ich leitete einen Arbeitsbereich mit fast nur Frauen – zeigte mir deutlich, dass schon die bloße Anwesenheit des anderen Geschlechts sich beruhigend auswirkt und den Arbeits-(Lern-)Erfolg hebt. Aber in den frühen sechzigern waren die Entscheider noch nicht so weit.

Ich bin so lala durch die Schule gekommen, keine Ausreißer nach oben oder unten. Mein Notenschnitt im Mittlere-Reife-Zeugnis lag so bei 3,0. Sprachen, Kunst und Sport lagen mir nicht so, dass musste ich dann durch meine mathematischen Fertigkeiten herausholen. Als wir die 10. dann endlich beendet hatten, waren wir recht froh. Alle (!) hatten einen Ausbildungsplatz, wir konnten uns die Lehrstelle zumeist aussuchen. Aber davon später mehr.

Pfadfinder

Während meiner Schulzeit benutzte fuhr ich gelegentlich auch mit der U-Bahn bis zur Haltestelle Alter Teichweg. Auf dem Weg sprach mich ein älterer Junge an, ob ich nicht Lust hätte, in einer Jugendgruppe mitzumachen. Da ich keine Ahnung hatte und skeptisch war, bot er an, meinen Eltern von der Arbeit in der Gruppe zu berichten und besuchte uns in Poppenbüttel. Es war Michael Laukeninks, der spätere Produzent der City-Preachers und Redakteur bei NDR. Er wohnte bei seinen Eltern in Wandsbek, wo wir Jungs uns trafen und alles mögliche lernten. Ein paar Jahre machte ich mit. Wir wanderten viel und erreichten unsere Ziele meistens per Anhalter. In der Kluft und mit einem Affen (Rucksack) wurden wir gern mitgenommen. Später durfte  ich an einer Schwedenreise teilnehmen, die im Wesentlichen aus Wandern im Fjule Fjäll (Steine, Steine, Steine) bestand. Eines Abend schlugen wir unsere Zelte auf und wurden nachts von kräftigen Regengüssen überrascht. Mein Schlafsack war nicht wasserfest, so dass ich bis zum Morgen in einer Regenpfütze schlief. Eine kräftige Erkältung war mein! Aber im Nachhinein möchte ich diese Erfahrung nicht missen. Der enge – auch körperliche – Kontakt der Jungen führte aber zu Spannungen im persönlichen Bereich, die mir dann irgendwann zu groß wurden, so dass ich die Gruppe wieder verließ.

Jahre später traf ich Michael – er hatte gerade beim NDR angefangen – wieder. Der charismatischen Eindruck, den ich früher wahrnahm, war völlig verflogen.

Beruf – Berufung?

Im letzten Schuljahr durften/mussten wir unser Berufspraktikum machen. Da viele von uns keine Arbeitgeber kannten, organisierte unser Klassenlehrer die Vielzahl der Praktika. Mich verschlug es zu einer Kaffee-Import/Export-Firma im Freihafen. Ich war begeistert vom Besuch der Kaffeelager, dem Duft des Rohkaffees und dem selbstständigen Ziehen der Kaffeeproben. Auch die Kaffeebörse machte einen erheblichen Eindruck auf mich.  Ebenso das Rösten der Kaffeeproben und die anschließende Verkostung. Allerdings bestand die Arbeit in der Firma im Wesentlichen aus sehr viel Papierkram. Importdokumente ausstellen, Finanzierungen mittels Akkreditiv oder Akzept vereinbaren, alles mit der Schreibmaschine mit mehreren Durchschlägen. Und Tippfehler führten immer zur Neuausstellung. Die Buchhaltung mit einer Kontierungsmaschine faszinierte mich schon mehr. Aber mir wurde im Laufe der zwei Wochen doch schnell klar, dass dieses nicht meine berufliche Zukunft war.

Bei uns Schülern standen die Ausbildung bei Banken oder Versicherungen oder Ölunternehmen (Shell) im Fokus. Dort glaubten wir, die beste Ausbildung zu bekommen und später auch einen guten Arbeitsplatz. Mein Vater schlug vor, die Beratung des Arbeitsamtes in Anspruch zu nehmen und so war ich das erste Mal dort. Nach einem sehr freundlichen Beratungsgespräch erhielten wir Bewerbungskarten und Termine bei der HASPA, der Dresdner Bank und der Deutschen Bank.

Das Gespräch bei der Dresdner Bank war sehr freundlich, man wollte sich melden. Die HASPA wollte kein direktes Bewerbungsgespräch, sondern wollte mich zu einem Bewerbertest einladen. Der Personalchef der Deutschen Bank sprach mit mir über meine Noten, über meine Kopfnote „Obwohl Bernd der jüngste Schüler der Klasse ist, sollte er nicht ständig den Unterricht stören“ aus dem Halbjahreszeugnis, über mein zuletzt gelesenes Buch und was ich meinte, wie viel die Bank wohl im Jahr als Unternehmen verdienen würde. Insbesondere bei der letzten Frage habe ich viel zu sehr nach unten geschätzt. Eine kurze Rücksprache mit meinem Vater, der mich begleitete, führte dann dazu, dass ich unmittelbar nach dem Gespräch die Lehrstelle hatte!

Ich war stolz darauf und begann am 1.4.1965 meine Ausbildung als Bankkkaufmann bei der besten Ausbildungsstelle, die man zu der Zeit in Hamburg bekommen konnte – zumindest nach Meinung der DB und der Handelskammer.

Am ersten Tag mussten wir uns beim Personaleingang am Mönkedamm melden und wurden zu einem großen Raum geführt, in den alle Neu-Lehrlinge begrüßt und dann anschließend auf die Abteilungen verteilt wurden.

Meine erste Abteilung war die Überweisungsabteilung. Hier lernte ich strippen!
Nein, nicht das! Strippen nennt man die Zusammenstellung von Überweisungsstapeln mittels Additionsmaschinen. Die „Strippe“ war der Papierstreifen. Als Anfänger musste ich erst einmal lernen, die Maschine richtig zu betätigen und möglichst blind zu tippen. Ich kann es noch heute sehr gut und habe mich später geärgert, dass bei Einführung der Tastentelefone die „1“ links oben und nicht links unten liegt. Wie häufig habe ich beim blind tippen die falsche Telefonnummer gewählt . . . Die Überweisungen wurden (Trommelsortier- und Buchungsmaschine) nach Zielbanken sortiert zusammengestellt. Die Beträge und die Kontonummer wurden gesondert addiert, so dass die entsprechenden Stapel identifizierbar blieben. Wir „Stripper“ waren in Klassen eingeteilt, der Lehrling war natürlich der letzte. Erst am Ende meiner 4-wöchigen Ausbildung durfte ich auch mal als erster Stripper arbeiten.

Neben den Ausbildungsabschnitten in den Abteilungen über die wir regelmäßig das Berichtsheft führen mussten, gab es natürlich zweimal die Woche auch die Berufsschule am Weidenstieg. Hier lernten wir die üblichen kaufmännischen Dinge, Buchhaltung, Wirtschaftslehre, Bankbetriebslehre, Deutsch, Wirtschaftsenglisch und Schreibmaschine schreiben. Dass die Buchhaltung einmal mein liebster Bereich werden sollte, konnte nach meinem ersten Test keiner ahnen. Ich hatte konsequent alle Buchungssätze falsch herum gebildet. Aber die Erkenntnis, dass nicht die Bewegung des Geldes, sondern die Zuordnung von Vermögensmehrungen und -minderungen die Richtung der Buchung bestimmt, gewann ich schnell und konnte daher später in diesem Fach brillieren.

Nach der Schule trafen wir uns meistens in einer Kneipe und spielten Poker. Um Geld! Aber im Großen und Ganzen habe ich weder plus noch minus gemacht. Da wir eine dreiviertel Stunde Fahrtzeit und eine Stunde Mittagspause hatten, kamen wie meistens erst gegen kurz vor drei wieder im Betrieb an.

Neben der theoretischen Ausbildung in der Berufsschule gab es bei der DB auch noch unternehmensinterne Fortbildungen, bei denen unser Schulwissen weiter vertieft wurde. Die Deutsche Bank hatte ein eigenes Ausbildungszentrum an der Warburgstraße. Dabei wurden nicht nur stumpfsinnig die gelernten Dinge wiederholt, sondern uns wurde auch kritisches Wirtschaftswissen vermittelt, Thesen aufgestellt, die wie beweisen oder widerlegen mussten. Für die 60er-Jahre ein sehr fortschrittliches Schulungsangebot. Einige Aufgaben sind mit bis heute im Gedächnis geblieben.

„Stelle ein Lineal senkrecht auf und lass es umkippen. Wie groß ist die Geschwindigkeit von der Ecke bis zum Ende, wenn es vollständig aufliegt?“ Die Lösung lautet „unendlich“, da es nur den Zustand „liegt nicht voll auf“ bzw. „liegt voll auf“ gibt. Für uns damals schwer nachzuvollziehen, da wir nur klassische physikalische Experimente aus der Schulzeit kannten.

„Du hast 10 Kugeln, die alle gleich groß sind. 9 davon sind gleich schwer, eine ist leichter oder schwerer. Wieviel mal musst Du mit einer Balkenwaage wiegen, um herauszubekommen, welche Kugel es ist und ob sie schwerer oder leichter ist?“ Die genaue Lösung hat uns nächtelang beschäftigt. Irgendwo um 3 herum ist die richtige Lösung, aber ich kann es bis heute nicht theoretisch herleiten.

Wir waren von unseren Ausbildern begeistert (bis auf die Schreibmaschinen- und Steno-Lehrerin, die uns immer getriezt hat) und machten alle einen guten Abschluss, keiner schlechter als drei; ich bin knapp an einer eins vorbeigeschrammt.

Am Ende der Ausbildungszeit kam ich auf die Zweigstelle am Eppendorfer Baum, die gerade (1968) eröffnet hatte, Inzwischen gibt es sie nicht mehr, sie ist dem allgemeinen Filialsterben der 90er-Jahr zum Opfer gefallen.

Und nach der Lehre?

Tja, da war ich nun in der „Plus 86“, so genannt nach den führenden zwei Ziffern der Kundenkontonummern und lernte alles, was es so zu tun gab. Meine Lehre war nur eine gute Grundlage, aber im täglichen Geschäft gab es noch so einiges zu lernen.

Die Elektronik hatte – zumindest bei uns – noch nicht Einzug gehalten. Die Kontoauszüge für den Kunden kamen morgens ausgedruckt, ebenso Kopien davon für die Kontoführer. Diese mussten in die entsprechenden Laschen einsortiert werden. Kundenwünsche nach Abhebung mussten aufgenommen, Unterschriften auf Überweisungen und Schecks geprüft und gelegentlich auch Sortenabrechnungen erstellt werden. Sorten sind ausländische Geldscheine, bei Devisen handelt es sich immer um Buchgeld, also Währungskonten. Um die Mittagszeit wurden die Kurse der Börse per Telefon durchgegeben, die wir dann zum Aushang noch einmal in Schönschrift schreiben durften („Strafarbeit“ für mich).

Natürlich war die Vergabe von Kleinkrediten und die Telefonate mit der SCHUFA ebenso dabei, wie die Einrichtung und Änderung von Konten. Dieses wurde in Datenerfassungsformularen vorgenommen, die dann „legalisiert“, d.h. mit einem besonderen unter Verschluss zu haltenden Stempel gekennzeichnet wurden. Bei technischen Unstimmigkeiten telefonierten wir dann mit den Kollegen von der EDV-Organisation und klärten die Fehler oder „Verschlimmbesserungen“. Hier merkte ich schnell, dass dieses für mich von hohem Interesse war. Aber den ganzen Tag im Büro und nur mit Papierkram, so ganz ohne Kunden? Nee, das wollte ich dann auch nicht.

Im Zeitablauf bemerkte ich dann doch, dass der Job eines Zweigstellenleiters auch nicht gerade das Gelbe vom Ei war. Die Zweigstellen waren nur in begrenztem Umfang selbst entscheidungsfähig, was die Vergabe von größeren Krediten und Kontoüberziehungen anging und wurden von den entsprechenden Kreditabteilungen sehr eng geführt. Wir hatten als neue Zweigstelle inmitten der Stadt einen nicht so hohen Hypothekenbestand und ein zu Besuch kommender Direktor machte deutlich: „Gehen Sie raus, hier stehen überall Häuser, also gibt es doch Bedarf für Renovierungen und Umbauten. Also auch für Hypotheken.“ Tja, so vom Sessel aus der Zentrale wohl ein berechtigter Hinweis, aber nun bekomme mal raus, wer der Eigentümer ist und ob er überhaupt mit der DB Geschäfte machen will oder lieber mit der Sparkasse, die in diesem Geschäft führend war.

Irgendwie hatte ich mir mehr Unabhängigkeit für die Zweigstellenleiter gewünscht. Die Risiken einer großzügigeren Praxis hatte ich nicht so im Blick. Auf jeden Fall bewegte mich die Frage, ob es da für ich nicht noch was anderes gäbe. Klar, ich war inzwischen zum stellvertretenden Zweigstellenleiter mit entsprechendem Ausblick ernannt, aber so richtig war das doch nicht, oder?

Abendschule

Auf jeden Fall fing ich an, mir über meinen Bildungsweg Gedanken zu machen und wollte an der HWP (Hochschule für Wirtschaft und Politik) studieren, einer Bildungseinrichtung, die auch Nicht-Abiturienten aufnahm. Ein Arbeitkollege machte mich auf die DAA (Deutsche Angestellten Akademie) aufmerksam, eine Einrichtung der DAG, die einen vergleichbaren Abschluss anbot. Das Besondere an der DAA war, dass dieser Bildungsweg (2 Semester berufsbegleitend, 4 Semester Vollzeit) vom Arbeitsamt mit finanziert wurde.

Damit begann eine heftige Lernzeit, zweimal in der Woche von 18-22 Uhr und auch noch am Samstag zur Schule. Mir fiel es leicht und ich hatte auch die Unterstützung meiner Kollegen, da ich am Donnerstag bereits um 17:30 Uhr die Arbeitsstelle verlassen musste. Zack, war das eine Jahr rum, Abschluss des Vorstudiums mit eins und jetzt noch schnell den Arbeitsvertrag gekündigt, was ein wenig schwierig war, da das Hauptstudium bereits am 15.6.  begann und ich nur zum 30.6. kündigen durfte. Die Personalabteilung war hier aber sehr entgegenkommend und wir einigten uns auf einen Aufhebungsvertrag.

Großhansdorf

Das Hauptstudium erfolgte in Großhansdorf, einem Ort nördlich von Hamburg, der bis 1938 (Großhamburg-Gesetz) zu Hamburg gehört hatte und auch heute noch Endpunkt einer U-Bahn-Linie ist. Die Akademie finanzierte sich u.a. auch dadurch, dass alle Ledigen zumindest das erste Semester dort wohnen mussten. Auch hierfür zahlte das Arbeitsamt einen Zuschuss, neben dem Übergangsgeld von 67% des letzten Einkommens! Ich hatte mein Zimmer mit einem Mitstudierenden im reetbedeckten Altbau, der leider vor einigen Jahren abgebrannt und jetzt noch als Ruine vorhanden ist.

Das Studium war sehr verschult mit Frontalunterricht und vielen Fächern. Im Gegensatz zur Lehre habe ich eine Vielzahl von Fachinhalten in meiner künftigen Tätigkeit verwenden können. Hier waren Rechnungswesen, Wirtschaftsmathematik, Programmierung, Steuerlehre und Recht meine Lieblingsfächer, Volkswirtschaftslehre nicht so (mein einziges 3er-Fach im Abschluss).

Während des Studiums wurden alternativ noch zwei Kurse mit staatlichem Abschluss angeboten: Bilanzbuchhalter und Ausbilder nach der Ausbildereignungsprüfung. Ich wählte das für mich leichtere Fach, Bilanzbuchhalter. Die größte Schwierigkeit bestand darin, die Handelskammer Hamburg davon zu überzeugen, dass ich im Rahmen meiner vorherigen Tätigkeit ausreichende praktische Buchhaltungskenntnisse in einem Beruf erworben hatte. „Na, mit den paar Buchungen auf einer Bankzweigstelle werden sie wohl nicht erfolgreich sein.“ meinte der Sachbearbeiter. O.k. so groß waren sie wirklich nicht, aber ich hatte den Zettel und damit eine Prüfungsvoraussetzung. Die Prüfung war zwei Wochen nach dem Abschluss des Studiums. Wir waren alle im Lernstress, aber begeistert von den Möglichkeiten.

Während ich mein Studium „nur“ mit 1,7 abschließend konnte,  erreichte ich mit einem Mitstudenten eine 1 in der Bibu-Prüfung! Bei einer seinerzeitigen Durchfallquote von über 50% alleine in der schriftlichen Prüfung bin ich noch heute stolz auf das Erreichte!

Und sonst so?

Nun gut, Studium ist nicht alles im Leben: ich hatte eine Wohnung im Haus meiner Eltern, kam finanziell über die Runden, war zumeist in Hamburg unterwegs („Onkel Pö“!, Fabrik) und genoss das Leben. Eine Mitstudentin aus Ostfriesland hatte es mir angetan, aber ich ihr nicht in gleichem Maße. So der „King of the street“ war ich nicht, wollte ich auch nicht sein. Sehr zum Verdruß meines Vaters, seinen vorehelichen Verschleiß hatte ich hier angedeutet. Aber ich glaubte immer, dass da draußen irgendjemand warten würde. Die Chance bei entsprechend mangelnder Eigenaktivität war groß, als Single zu enden.

Arbeitssuche

Nachdem ich das Studium und auch die Bibu-Ausbildung beendet hatte, ging es ans Bewerbungen schreiben. Das Arbeitsamt unterstützte mich aktiv, aber meinen nächsten Job fand ich dann doch im „Abendblatt“. Ein Wedeler Bauunternehmer suchte einen Manager für sein Privatvermögen und wir wurden uns zum 1.8. 1976 schnell handelseinig. Die Entfernung Poppenbüttel-Wedel betrug 35 km und war mit dem Auto (45 min) deutlich schneller, als mit der Bahn (90 min). Aber für mich war am Anfang die Entfernung kein Problem. Die finanzielle Situation meines Arbeitgebers war aber ziemlich angespannt und die Arbeit reduzierte sich immer mehr auf die Verwaltung von vermieteten Immobilien, bei denen es einen deutlichen Reparaturstau gab. Sehr zum Ärger der zuständigen Feuerwehr. Diese, von mir nicht zu verantwortenden, Missstände und auch der Umgang der Mitarbeiter untereinander, die sehr diktatorische Unternehmensführung führten bei mir zur Überlegung, das Unternehmen wieder zu verlassen. Also zum 1.4.1977 gekündigt, ich finde bestimmt schon was anderes.

War aber doch ziemlich schwierig, eine Zusage von HDW wurde kurzfristig zurückgezogen, eine Tätigkeit bei HHA war nur in der Betriebsbuchhaltung möglich. Ich wollte aber auf jeden Fall in die Abschlussbuchhaltung, also die Bilanzierung eines Unternehmen.

Die Hamburg-Mannheimer Versicherung suchte im Bereich Ausbildung für ihre Abteilungen Mathematik und Rechnungswesen zum 1.6. 1977 einen Ausbildungsgruppenleiter. Also einen Menschen, der jungen Auszubildenden die Geheimnisse der Buchhaltung vermittelt. Beworben und ich wurde genommen. Allerdings zu einem geringeren Gehalt als bei meiner bisherigen Tätigkeit. Aber zur City-Nord war der Arbeitsweg auch deutlich kürzer. Außerdem musste ich mich verpflichten, die Prüfung zum Ausbilder nachzuholen. Aber eine Prüfung mehr oder weniger? Damals für mich kein Problem.

Kurz bevor ich die Prüfungsvorbereitung beginnen wollte, kam der fachliche Abteilungsleiter Rechnungswesen auf mich zu und fragte: „Was wollen Sie eigentlich künftig machen? Ausbildung oder Rechungswesen? Bei mir können Sie Büroleiter werden, in der Ausbildungsabteilung nicht.“ Die Frage überraschte mich und erfreute mich zugleich. Kurz überlegt und zugesagt. Die Ausbildungsabteilung war von meinem Meinungsumschwung nicht begeistert. Hier wurde eine Konferenz der Abteilungsleiter nötig, die schließlich zum für mich erfreulichen Ende führte.

Ich wurde am 1.9. 1977 Büroleiter der Vermögensbuchhaltung!

Hamburg-Mannheimer

So, nun hatte ich sie an der Backe, nicht als Frauen! Wir waren zuständig für die Bereiche Mieten und Hypotheken. Neben dem Inkasso und dem Mahnwesen lag die Zuständigkeit auch noch in der Bilanzierung der zugrunde liegenden Werte, also der Grundstücke und der Hypothekenforderungen.

Außerdem gab es noch Sondervermögen in den Kapitalanlagen, die wir ebenfalls betreuten, wie auch den Deckungsstock.
Häh? Was ist das denn? „Tja, wie immer ist alles ganz einfach!“ Einer meiner Lieblingssprüche, der für mich noch immer gilt und der bei den Fragenden erst einmal die „Schwere des Problems“ auf lustige Weise aus dem Kopf holt.

Deckungsstock

Lebensversicherungen sammeln das Geld Ihrer Kunden ein, verbunden mit dem Versprechen die vereinbarte Summe im Todesfall zu zahlen und im Erlebensfall ebenfalls. Was macht man aber mit dem ganzen Geld? Anlegen! Und das sicher, gut verzinst und jederzeit wieder in Geld zurückzuverwandeln. Die Anlagen erfolgen dann in Grundstücken und Gebäuden, Hypotheken, Darlehen des Staates und erstklassiger Unternehmen. Auf der anderen Seite sind die künftigen Verpflichtungen zu ermitteln (auch wenn sie erst in 30 Jahren erfolgen!) und entsprechend abgezinst zu bilanzieren. Diesen sind dann die Vermögenswerte gegenüber zustellen (diese haben immer zu überwiegen!) und entsprechend sicherzustellen. Der „Stock“ ist dann die Summe der sichergestellten Vermögenswerte. Lustig überhaupt war es jungen Auszubildende zum „Ändern des Deckungsstocks“ in den Keller zu schicken. Entsprechendes gibt es bei Bankern: Dort musste der „Zinsfuß“ bei der Änderungen ebenfalls aus dem Tresor geholt werden.

Wer noch mehr über das Thema wissen will, spreche mich einfach an. Die Erläuterungen bei Wikipedia oder sogar bei der BaFin sind zu speziell.

Ach ja, da stand, besser saß ich da vor dem Haufen Damen (16), die natürlich ihr Metier deutlich besser beherrschten, als ich. Zumindest in den ersten Tagen.  Und wie immer: Respekt muss man sich erwerben, man darf nicht erwarten, dass dieser durch die Dienststellung automatisch einem entgegengebracht wird.

Also Fachkenntnisse auf den Tisch und die entsprechenden Fragen gestellt: „Was macht ihr, wie macht ihr das und wie stellt ihr sicher, dass ihr keine Fehler macht/das Ergebnis stimmt?“ Insbesondere die letzte Frage verunsicherte meine Mitarbeiter, da früher offensichtlich der Vorgesetzte für die Richtigkeit zu sorgen hatte. Das war überhaupt nicht in meinem Interesse. Mein Ziel war es immer – ist es eigentlich immer noch – jedem Selbstverantwortung zu ermöglichen; also zu verstehen, was er macht, welche Konsequenzen sein Handeln hat und wie er die Richtigkeit seiner eigenen Arbeit beurteilen kann.

Nachdem ich mit diesem „neumodischen“ Kram zunächst verwirrt hatte, bemerkte ich nach kurzer Zeit den Erfolg. Die Mitarbeiterinnen kamen mit Vorschlägen zur Verbesserung bestimmter Dinge zu mir und hatten offensichtlich Spaß an ihrer Aufgabe.

Erster Umbruch

(Neueinstellungen aufgrund von Personalabgang)

Ingrid – Familie später

Übernahme der Hauptbuchhaltung

Neuer Abteilungsleiter

(ich habe echt was gelernt!)

Letzter Abteilungsleiter

Verantwortung muss man Verdienen

ERGO

Der Kampf für meinen Nachfolger

Das Ende

Familie

Kinder

Wohnumfeld

Trennung

neue Frau

Schwierigkeiten

Trennung und gut ist

Heute

SOATEBA